Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.
Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.

Ev. Kirche missachtet rechtsstaatliche und innerkirchliche Grundwerte

INITIATIVE für ein gerechtes Kirchenrecht
in der Ev. Kirche in Hessen und Nassau
INI für Kirchenrecht (D. Maier) – Alfred-Bock-Str.17 – 35394 Gießen


Frau per E-Mail voraus

Dr. Irmgard Schwaetzer
Präses der Synode der
Ev. Kirche in Deutschland
Herrenhäuser Str. 12
30419 Hannover

 

Gabriele von Altrock
Hochfeldstr. 15
60437 Frankfurt am Main
Kontaktadresse:
Dorothea Maier
Alfred-Bock-Str. 17
35394 Gießen
Tel. & Fax: 0641 – 97 28 86 38
E-Mail: dorothea.maier.rm@gmx.de
Ihr Schr. vom 19.12.2013
Karsten Wolkenhauer, Pers. Referent
4. April 2014


Ev. Kirche missachtet rechtsstaatliche und innerkirchliche Grundwerte


Sehr geehrte Frau Präses Dr. Schwaetzer,
in der EKD und ihren Gliedkirchen ist seit vielen Jahren die Frage um-stritten, ob die staatlichen Grundrechte auch für die Ev. Kirche Gül-tigkeit haben oder nicht. – Die Antwort kann nur lauten: Bereits auf-grund ihrer christlichen Wurzeln sollte sich niemand stärker für die Einhaltung der Grundrechte einsetzen als wir Christen und unsere Kirchen! Tatsächlich aber werden sie auf kirchlichen Leitungsebenen missachtet und oft sogar ausdrücklich abgelehnt. Das zeigt sich be-sonders deutlich an einigen Rechtsnormen des Pfarrdienstgesetzes (s. Anlagen). Das Kirchenrecht steht dabei zugleich im Widerspruch zur eigenen Grundordnung, zu “Schrift und Bekenntnis“.


Da die Kirchengerichte sich an Kirchengesetzen orientieren, die kei-ne Wahrheitsfindung vorsehen, setzt sich das Unrecht in deren Ur-teilen fort. Es ist beschämend, dass staatliche Richter die Kirche auf-fordern müssen, die Grundwerte der Verfassung zu beachten (OVG NRW, Münster 5 A 1941/10). Zur gleichen Zeit mahnt die EKD bei staatlichen Stellen die Einhaltung der Grundrechte an. Mit solchen Widersprüchen macht die Ev. Kirche sich selbst unglaubwürdig. Wo bleiben da die höherwertigen christlichen Grundwerte, die von Gott gegebene unantastbare Menschenwürde und das Doppelgebot der Liebe? – Die Folgen sind unübersehbar: So ist die Zahl der Bewerber für den Pfarrdienst drastisch gesunken, was allein schon wegen der mangelhaften Rechtssicherheit dieses Berufsstandes zu erwarten war. Zahlreiche Gemeindeglieder haben deshalb die Kirche frustriert verlassen. Nun fordern auch muslimische Verbände den Körper-schafts-Status und das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesell-schaften. Längst hat sich hier eine Paralleljustiz auf Basis der Scharia etabliert – mit Diskriminierung von Frauen, Entführungen und Ehren-morden.


Eine Kirche, die rechtsstaatliche und christliche Grundwerte missach-tet, macht sich mitschuldig am Niedergang der Gesellschaft. Deshalb erneut unsre dringende Bitte um Klarstellung.


Mit freundlichen Grüßen
INITIATIVE für ein gerechtes Kirchenrecht in der EKHN
gez. Gabriele von Altrock gez. Dorothea Maier


Inhaltlich gleiches Schreiben oder Kopie an: Ratsvorsitzenden der EKD, Kirchengerichts-hof der EKD, Bischöfe bzw. Kirchenpräsidenten, Synodalvorstände und Rechtsausschüsse der Landeskirchen, Kirchenamt der EKD, Verband der ev. Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland, Verein DAVID gegen Mobbing in der Ev. Kirche u. a.

 


INI für gerechtes Kirchenrecht in EKHN Anlage 1
Schreiben an EKD 04.04.2014
Seite 2 von 3


Ev. Kirche darf weder gegen rechtsstaatliche noch gegen innerkirch-liche Grundwerte verstoßen


Die Kirchenverwaltungen und Kirchengerichte berufen sich zwar ger-ne auf das im Grundgesetz garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, ignorieren dabei aber vehement die grundlegend wichtige Einschränkung, dass dieses Recht nur “innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ ausgeübt werden darf. So schreibt z. B. die Verwaltungskammer der Ev. Kirche im Rheinland in einem Urteil: “Die Kirche ist nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV in der Ausge-staltung ihres Dienstrechtes unabhängig. Daraus folgt, dass sie generell weder durch die Grundrechte noch durch … gebunden ist“ 1).  Dieses Urteil wurde zum Anlass genommen für eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht2). Obwohl die Richter die Beschwerde wegen fehlender Zulassungsvoraussetzungen nicht angenommen und sich mit dem Inhalt nur fiktiv befasst haben, haben sie trotzdem die Argumente der Kirche unreflektiert übernommen. Dieser Beschluss des BVerfG ist von Fachleuten heftig kritisiert wor-den.3) Die EKD aber hat diesen fragwürdigen Vorgang zu einem Musterbeispiel für die Recht-sprechung ihrer Gliedkirchen erklärt.4)

 

Gleichzeitig weist die EKD ein eigenes Referat für “Grund- und Men-schenrechte, Europarecht“ aus und kritisiert Staaten weltweit, wenn sie diese nicht einhalten. Nur im eigenen Haus sollen sie nicht gelten!? Aufschlussreich hierzu sind Aussagen namhafter Persönlichkeiten der Kirche. So betont z. B. der frühere EKD-Ratsvorsitzende Dr. Wolfgang Huber in seinen öffentlichen Publikationen das “innerkirchliche Recht auf die unantastbare Würde jeder menschlichen Person, da sie zum Ebenbild Gottes geschaffen ist“, ferner die “Rechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf Gewissens- und Meinungsfreiheit …“ 5). Es ist nicht zu übersehen, dass die kirchlichen Grundrechte den staatlichen weitgehend entsprechen. Erstere weisen sogar noch da-rüber hinaus auf die geistliche Ebene, die vom Doppelgebot der Liebe geprägt sein soll.


Es ist paradox: “In unserem Staat hat sich der moderne Gedanke der Menschenrechte unter christlichemEinfluss entwickelt und hat ent-scheidende Impulse der Reformation in sich aufgenommen, in der Praxis aber konnte er nur gegen erheblichen kirchlichen Widerstand durchge-setzt werden“ 6). Diese widersprüchliche und ablehnende Haltung ist in der EKD noch lange nicht überwunden!


Bekanntlich haben die Autoren unseres Grundgesetzes aufgrund der bitteren Erfahrungen der Nazi-Diktatur die Menschenrechte als ein-klagbare Rechtstitel in das Verfassungsgesetz aufgenommen. Dem-nach ist der in Art. 1 GG garantierte Schutz der Menschenwürde unantast-bar. Diese unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte waren den Verfassern des GG so wichtig, dass sie deren Änderung für unzu-lässig erklärt haben7). Somit haben die Grundrechte8) absoluten Vor-rang und binden den Rechtsstaat in allen seinen Erscheinungsformen.


Wenn nun dieser Staat den Kirchen mit dem Körperschafts-Status hoheitliche Befugnisse überträgt und ihnen ein eingeschränktes Maß an Selbstbestimmung zubilligt, dann ist dies selbstverständlich mit der Verpflichtung verbunden, die Grundwerte der Verfassung, na-mentlich die Grundrechte, zu beachten9). Der Staat kann und darf folglich nicht dulden, dass grundlegende Rechte, die er selbst nicht antasten soll, von den Religionsgesellschaften ausgehebelt werden. Deshalb ist es unabdingbar, dass die EKD klarstellt, dass die Grundrechte und die darauf basierenden Rechtsnormen sowohl für die Ev. Kirche als auch für alle anderen Religionsgesellschaften gelten.
_______________
1) Urteil VK 16/2006 – 2) Beschluss VerfG: 2 BvR 717/08 – 3) Urteil OVG NRW, Münster, 5 A 1941/10 u.a. – 4) siehe Begründung zu § 105 PfDG-EKD – 5) Wolfgang Huber: “Gerechtigkeit und Recht – Grundlinien christlicher Rechtsethik“, S. 525 ff – 6) Huber wie unter 5), S. 515 – 7)
sog. “Ewigkeitsentscheidung“, vgl. Art. 79 Abs. 3 GG – 8) Art. 1 – 19 GG –
9) Urteil OVG NRW, Münster, siehe zu 3)


INI für gerechtes Kirchenrecht in EKHN Anlage 2
Schreiben an EKD 04.04.2014
Seite 3 von 3


Rechtsnormen im Pfarrdienstgesetz der EKD sind verfassungswidrig
Kurze Stellungnahme zu §§ 79 ff PfDG-EKD vom 10.11.2010


Nach § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ist die (unfreiwillige) Versetzung einer Pfar-rerin / eines Pfarrers möglich, wenn “eine nachhaltige Störung in der Wahrnehmung des Dienstes“ festgestellt wird. Diese wird unterstellt, wenn
nach § 80 Abs. 1 und 2 “das Verhältnis zwischen Pfarrer /-in und nicht unbeträchtlichen Teilen der Gemeinde zerrüttet ist oder das Vertrau-ensverhältnis zu dem Vertretungsorgan der Gemeinde zerstört ist. Die Gründe für die nachhaltige Störung müssen nicht im Verhalten oder in der Person der Pfarrerin / des Pfarrers liegen“ … Während dieser Zeit können die Betroffenen ihren Dienst nicht mehr wahrnehmen.


Konflikte können überall entstehen bzw. sind leicht herbeizuführen, in-dem z. B. Gerüchte gestreut werden. In ihrer Begründung zu § 80 PfDG räumt die EKD zwar ein, dass die Gründe für eine Zerrüttung auch im (Fehl-)Verhalten anderer Personen liegen können. Falsch ist aber ihre Schlussfolgerung, dass sich eine Prüfung der Schuldfrage verbietet (!), weil diese unerheblich (!) ist“. Gerade dann sind schnellstens klärende Gespräche und ggf. eine neutrale Supervision angezeigt!


Die kirchlichen Instanzen berufen sich dabei auf das Zerrüttungsprinzip des weltlichen Eherechts. Das ist jedoch auf das völlig anders geartete Pfarrdienstverhältnis nicht anwendbar, undzwar weder aus christlich-geistlichen Erwägungen heraus noch aus rechtlichen Gründen, z. B.:


1. Bei dem o. g. Verfahren findet eine einseitige Vorverurteilung der Pfarrerin / des Pfarrers statt, mit so gravierenden Folgen, als hätte sie / er ein Verbrechen begangen (Amtsenthebung, Rufschä-digung, Versetzung in den Wartestand, drastische Gehaltskürzun-gen, Zwangspensionierung). Dies bedeutet meist das Ende der be-ruflichen Tätigkeit, und zwar auch dann, wenn sie / er sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Die Konfliktverursacher dagegen werden fast immer verschont. Welch eine Ungerechtigkeit und Ungleichbehandlung, Missachtung des Schuldprinzips (§ 46 Abs. 1 StGB) und des Gebots der Verhältnismäßigkeit! Zudem begün-stigt die Kirche damit Willkür und verletzt ihre Fürsorgepflicht! – Das alles sind unerlaubte Rechtsverstöße!


2. Entgegen anderslautender Behauptung sind die Verursacher meist leicht auszumachen. Es dürfte deshalb i. d. R. nicht schwer sein, sie ggf. zur Rechenschaft zu ziehen. – Außerdem ist in vielen Fällen das Verhältnis zwischen Pfarrer /-in und der Gemeinde-Mehrheit nicht zerrüttet. Wo allerdings Gemeindeglieder von Konfliktverursachern desinformiert werden, da ist eine sofortige Klarstellung geboten! Andernfalls wird Unrecht zementiert und die Gemeinde gespalten.


3. Für die dann noch verbleibenden, eher seltenen Fälle, in denen auch mit Hilfe einer neutralen Beratung ein Konflikt nicht mehr einvernehmlich lösbar erscheint, sollte den Betroffenen der
Wechsel auf eine gleichwertige Stelle ermöglicht werden. Ist dies kurzfristig nicht möglich, kommt eine bewegliche Pfarrstelle oder zeitweilige Zuordnung zu einem Dekan oder Propst infrage. – Für eine friedliche Lösung ist in keinem einzigen Fall das o. g. Gesetz erforderlich!
Eine Suspendierung vom Dienst mit Versetzung in den Warte-stand und Zwangspensionierung (§ 83 ff, § 92 Abs. 2 PfDG-EKD) sollte nur der Lehr- und Disziplinaraufsicht vorbehalten bleiben.

 

Die Grundrechte unserer Verfassung und die darauf basierenden Rechtsnormen gelten für alle Bürger. Die Kirche macht sich deshalb doppelt schuldig, wenn sie – in Ausübung ihrer vom Staat verliehenen hoheitlichen Befugnisse – einigen Staatsbürgern (Pfarrern /-innen) so-wohl staatlichen als auch kirchlichen Rechtsschutz verweigert. – Ein weiterer Grund, der für die Abschaffung der o. g. Normen spricht, ist die Tatsache, dass damit im 3. Reich Pfarrer der Bekennenden Kirche mund-tot gemacht worden sind. Der Staat, der ähnliche Gesetze hatte, hat sie nach dem Krieg abgeschafft und kommt seither gut ohne sie aus, ob-wohl er sehr viel mehr Beamte beschäftigt als die Kirche. Nur die EKD hält – trotz unzähliger Vetos – an diesen verwerflichen Praktiken fest!

 

 

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