Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.
Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.

Zerrüttung in der Kirche???

Anmerkungen zu einem Urteil eines Kirchengerichts vom 29.11.2013

und Eindrücke von der Verhandlung von Professorin Gisela Kittel

Hans-Eberhard Dietrich, Dezember 2013

 

Das Zerrüttungsprinzip des staatlichen Scheidungsrechts dient im Pfarr-dienstgesetz der EKD von 2010, das auch in den Landeskirchen Geltung erlangt hat, dazu, Pfarrer nicht nur ihre Stelle zu nehmen, sondern sie darüber hinaus auch endgültig aus dem Amt zu drängen, das Amt, zu dem sie sich berufen wissen und das sie oft mit vollem Einsatz Jahrzehn-te lang ausübten.

Im Pfarrdienstgesetz nennt sich dieses Zerrüttungsprinzip: „nachhaltige Störung in der Wahrnehmung des Dienstes“. (§ 79 (1) 5. PfDG) Es führt zu einer Versetzung in eine andere Stelle oder in den Wartestand, wenn die Kirchenverwaltung sagt, es gebe keine Stelle für den betroffenen Pfarrer, die Pfarrerin. Der Wartestand endet dann nach drei Jahren im vorzeitigen Ruhestand, egal wie alt der Pfarrer, die Pfarrerin ist.

 

Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes vor drei Jahren haben viele die Hoffnung verbunden, dass sich an der Praxis der Kirchenverwaltungen etwas ändern möge. Diese Hoffnung aber scheint sich nicht zu erfüllen. Ganz im Gegenteil, wie eine Revisionsverhandlung in der letzten Novem-berwoche 2013 gezeigt hat.

Kurz der Sachverhalt:

Pfarrer T. aus der rheinischen Landeskirche war von der Kirchenleitung wegen „nachhaltiger Störung in der Wahrnehmung des Dienstes“ ver-setzt worden. Er klagte vor dem Verwaltungsgericht der rheinischen Landeskirche  in Düsseldorf und bekam Recht. Die Kirchenleitung klagte gegen dieses Urteil vor dem Revisionsgericht und bekam Recht. Der be-troffene Pfarrer ist inzwischen im Ruhestand.

 

Damit reiht sich diese Entscheidung in die unendlich große Anzahl all der Urteile ein, die seit der Einführung von Ungedeihlichkeit und Wartestand im Jahre 1939 ergangen sind. Damit bleibt aber auch die Kritik an die-sem Recht bestehen, die seit mehr als 75 Jahren geäußert wird, insbe-sondere aber in den letzten 10 Jahren in der Fachliteratur veröffentlich wurde. Um nur ein paar Kritikpunkte beispielhaft herauszugreifen:

+ Es schadet den betroffenen Gemeinden und dem Ansehen der Kirche: „Kuckucksei im Pfarrerdienstrecht der EKD. Eine pasto-ralpsychologische Betrachtung einer konfliktträchtigen Rege-lung.“ Traugott Schall. Deutsches Pfarrerblatt 6/2011.

+ Es ist in keiner Weise mit reformatorischen Amtsverständnis vereinbar: „Wider Kirchenraub und Kläffer. Luthers Ablehnung einer Zwangsversetzung von Pfarrern.“ Hans-Eberhard Dietrich. Deutsches Pfarrerblatt, 8/ 2008.“

Und: „Ohne geistlichen Sinn und biblische Weisung.“ Kirchenrecht darf es nicht ohne Bindung ans Bekenntnis geben. Hans-Eberhard Dietrich. Kirchliche Zeitgeschichte 2/2009.

+ Es wird von der Kirchenverwaltung als „Unrühmliches Instru-ment kirchlicher Personalplanung“ missbraucht.  „Wartestand – ein unrühmliches Kapitel kirchlicher Personalplanung“. Hans-Eberhard Dietrich. Deutsches Pfarrerblatt 2/2010.

+ Das Zustandekommen der „nachhaltigen Störung“ wird als Willkür empfunden: „Ist Willkür theologisch zu begründen? Oder Wie häretisch ist der Wartestand? Karlheinz Drescher-Pfeiffer, Deutsches Pfarrerblatt 3/2011.

Frau Professor Kittel ist zuzustimmen, wenn sie sagte, dass die Diskus-sion über die Ungedeihlichkeit trotz des neuen Pfarrdienstrecht weiter gehen muss, und zwar im Interesse der Kirche und der gesamten Pfar-rerschaft.

Hans-Eberhard Dietrich, Dezember 2013

 

 

Ein Bericht von der Verhandlung -

Frau Professorin i.R. Gisela Kittel, Detmold, war in Leipzig dabei. Hier ihr Bericht:

„Am Freitag (29.11.) hat das kirchliche Revisionsgericht in Leipzig unter dem Vorsitz des Leitenden Richters Gatz im Verfahren von Pfarrer T. das letztinstanzliche Urteil gefällt. Auch ich habe die Verhandlung miterlebt. Und es kam, wie es kommen musste. Die Argumente des Düsseldorfer Urteils wurden zerpflückt, der Abberufungsbeschluss der Rheinischen Kirchenleitung wieder in Kraft gesetzt. 

 

Und die Grundlage von allem? Es ist das Zerrüttungsprinzip, das bereits in allen VELKD- und UEK-Pfarrdienstordnungen festgeschrieben war und das nun auch im Pfarrdienstgesetz der EKD die Abberufungsmöglichkeit eines Pfarrers oder einer Pfarrerin ohne Untersuchung, ohne Wahrheits-findung, außerhalb aller Begründungen ermöglicht. (Alle vorgebrachten Hinweise auf Verursacher und Gründe eines Konfliktes sind bekanntlich "unerheblich") Auch Richter Gatz zog den Vergleich mit der weltlichen Ehe heran, die ohne Schuldklärung geschieden wird, wenn eine Zerrüttung vorläge. Doch hat das eine mit dem anderen zu tun?

 

Die eigentliche Frage, die dringend einer Antwort bedarf, lautet: Kann man wirklich das Leben in der Gemeinde Jesu  mit einer Ehe verglei-chen? Darf in ihr, die der Leib Jesu Christi ist, so etwas wie ein "Zer-rüttungsprinzip" greifen? Müssen nicht alle Anstrengungen darauf ge-richtet sein, die Zerstrittenen auf der Grundlage des gemeinsamen Glau-bens an den gekreuzigten Herrn wieder zusammenzuführen, wie es der Apostel Paulus etwa in Korinth vormachte (vgl. 1. Kor 1,10ff)? Doch in dieser Hinsicht erleben wir seitens unserer bürokratisierten Kirchenlei-tungen und oft auch selbstherrlich agierenden Superintendenten so gut wie gar nichts. Es ist ja auch sehr viel einfacher, mit dem Schwert eines Paragraphen, der die Verantwortlichen jeder Mühe heilender Gespräche und unparteiischer Nachforschungen enthebt, gewaltsam dazwischen zu schlagen. Wer Opfer von Mobbinghandlungen geworden ist, wird be-straft, Täterinnen und Täter werden belohnt.

 

Daher möchte ich alle Pfarrvereine bitten, mit ihrem theologischen Nach-denken, ihren Protesten, ihren Eingaben und öffentlichen Verlautba-rungen bei diesem Punkt anzusetzen. Das aus dem weltlichen Eherecht übernommene Zerrüttungsprinzip gehört nicht in die Kirche! Es wider-spricht der biblischen Rede von der Gemeinde als dem Leib Jesu Christi sowie der ganzen reformatorischen Theologie. Und es zerstört nicht nur Pfarrerbiographien, sondern eben auch Gemeinden, die angeblich auf diesem Weg zu Einheit und Frieden gebracht werden. 

 

[Die Vertreterin der Landeskirche] sprach am Ende der Verhandlung mit Befriedigung davon, dass seit dem Abgang von Pfarrer T. wieder Ruhe und Frieden eingekehrt seien. Doch zu welchem Preis? Hat sie die Ge-meindeglieder gezählt, die - weil sie das Unrecht gegenüber ihrem Pfar-rer miterlebten - die Kirche verließen, sich haben umpfarren lassen oder in die innere Emigration ausgewandert sind? Kann man sich damit zufrie-den geben, dass diejenigen, die ihren Pfarrer mit allen Mitteln (bis hin zu telephonischen Morddrohungen gegenüber Frau T.) loswerden wollten, "gesiegt" haben und nun gemütlich und unter sich "in Ruhe und Frieden" leben? Sollte nicht auch eine Kirchenleitung einmal selbstkritisch reflek-tieren, wie weit sie selbst durch ihre Parteinahmen und gewaltsamen Ein-griffe die Konflikte und Spaltungen, die sie lösen will, gerade vertieft oder sogar hervorruft?“

 

 

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