Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.
Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.

„Seid nicht bekümmert; denn die Freude am HERRN ist eure Stärke.“ (Neh. 8, 10)

 

Liebe Leser!

Es gibt Zeiten, da blickt man sorgenvoll zum Himmel. Manchmal ist es das Wetter, das uns Kummer macht, ein anderes Mal sind es die persönlichen Lebensumstände oder gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen, die uns den Blick Richtung Zukunft verdunkeln. Sorgen und Ängste können viele Ursachen haben und ebenso viele Reaktionen nach sich ziehen. Die einen spielen Vogel Strauß, stecken den Kopf in den Sand und verschließen sich vor der Realität. Andere stellen sich den Problemen und versuchen ihnen Paroli zu bieten nach dem Motto „allein gegen den Rest der Welt.“ Doch irgendwann müssen sie Farbe bekennen, - die einen, indem sie sich eingestehen müssen, dass man vor der Wirklichkeit nicht davonlaufen oder sich verstecken kann, - die anderen, indem sie zugeben müssen, mit meiner kleinen Kraft vermag ich die großen Fragen und Probleme nicht zu lösen. Hier wie dort kommt es am Ende zur großen Ernüchterung, die einer Kapitulation gleichzusetzen ist. Man muss sein Scheitern eingestehen.

Eine ähnliche Situation findet Nehemia in Jerusalem vor, Jahre nachdem die Gefangenen aus Babylonien in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Groß waren ihre Erwartungen, doch die Herausforderungen und Schwierigkeiten, vor die sie sich plötzlich gestellt sahen, waren noch größer. Und so kam es, wie es kommen musste. Angesichts der immensen Probleme griff die Frustration wie ein Virus um sich und führte zu einer schleichenden Depression. Man war geneigt, die Flinte ins Korn zu werfen. Dem aber tritt Nehemia nun mit einem Wort des Trostes und der Ermunterung entgegen. „Seid nicht bekümmert“, ruft er seinen Landsleuten zu. Wir würden vielleicht sagen: „Kopf hoch!“ Doch was hilft solch eine platte Ermutigung? Kann sie einem die Sorgen nehmen? Wohl kaum. Vielmehr ist und bleibt entscheidend, was als Begründung für diese Ermutigung ins Feld geführt wird. Nehemia ergänzt: „Die Freude am Herrn ist eure Stärke!“ Es ist der Blick über den Tellerrand, der hier angesagt ist, ― der Blick auf den Helfer. Damit verneint er die bestehenden Schwierigkeiten seiner Landsleute und Zeitgenossen nicht. Er malt die Wirklichkeit nicht rosarot, sondern nimmt sie ernst, bindet sie aber zurück an Gott. Er ist der Starke und eure Stärke, sagt er, und damit der, der über der jeweiligen Situation steht und den Weg kennt, den ihr gehen könnt, gehen dürft und gehen sollt.

Darin möchte Nehemia nun auch uns zum Vorbild, Helfer und Ratgeber werden. Denn unser Leben ist ja auch nicht frei von Herausforderungen oder gar Überforderungen, von Sackgassen, Sorgen und Fragen. Nehemia macht klar: All diesen Schwierigkeiten müsst ihr euch nicht allein mit eurer kleinen Kraft stellen, sondern dürft Gott mit ins Boot holen als Beistand und Begleiter, -als Kraftquelle für euer Leben. Die Freude darüber darf Triebfeder und Motivation sein, sich gelassen, aber auch kraftvoll den Aufgaben des Alltags zu stellen. Er ist unsere Stärke, auch wenn wir bisweilen große Aufgaben meistern sollen, die uns an die Grenzen des Machbaren zu bringen scheinen. Ein Psalmbeter regiert darauf mit den Worten: „Gelobt sei der Herr täglich! Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch.“ Die Freude, die aus dieser Erfahrung entspringt, wünsche ich uns allen. Sie möge uns für die Herausforderungen des Alltags Kraft und Stärke verleihen.

 

Ihr Kurseelsorger Pfr. Friedrich Reitzig 

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