Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.
Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.

Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. 1. Joh. 5,4

 

An Ostern feiert die Christenheit die Auferstehung Jesus Christi. Mit der Auferstehung fängt unser Glaube erst an. Wäre auf Karfreitag nicht der Ostermorgen gefolgt, hätte sich der Tod und nicht das Leben durchgesetzt, dann wäre Jesus ein frommer Träumer geblieben und christlichen Glauben hätte es nie gegeben.

Nun aber glauben wir an die Auferstehung. Wir glauben, dass der Tod nicht das letzte Wort hat; wir glauben, dass das Leben siegt und alle Traurigkeiten, alle Ungerechtigkeiten, alle Gebrochenheit der irdischen Existenz überwindet.

Im 1. Johannesbrief wird das so formuliert:

Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. 1. Joh. 5,4

 

Ein steiler Satz, der zwar ganz genau die Folgen eines festen Osterglaubens ausdrückt, der aber natürlich zugleich uns und unseren Glauben in Frage stellt.

 

Ist es denn wirklich so, dass „unser Glaube die Welt überwindet. Siegreich? Ich weiß nicht. Es will mir nicht so vorkommen, wenn mich z.B. die  Schicksale bedrücken, die mir über den Weg laufen.

-         Die junge Frau, die ihren Mann durch einen Unfall verloren hat und nun mit ihrem Kind alleine da steht. 2 Jahre ist es alt.

-         Der Junge, der zwei Wochen nicht in die Schule geht und sich im Keller versteckt, weil man ihn in der Schule mobbt und plagt. Und der sich niemandem anvertraut.

-         Die alleinerziehende Mutter, die sich nicht anders zu helfen weiß als mit Anklagen und Rumschreien, nicht nur mit ihren Kindern.

Ich merke, wie ich mich hinein ziehen lasse in die Verzweiflung derer, die da trauern und verstummen und leiden. Und wie ich mich frage, was um Himmels Willen, das Elend dieser Welt kleiner machen könnte? Wo ist da unser Gott? Und wo sind Menschen, die dem Elend begegnen; die den Schmerz mit aushalten und dem Jugendlichen ein Ohr leihen und der überforderten Mutter verständnisvoll und tatkräftig beistehen?

Manchmal möchte man verzweifeln an Gott und an seiner Gemeinde (an der Welt ja sowieso) und es scheint, als würde die Welt uns überwinden. Uns Christen und unseren Glauben gleich mit. Unser Glaube ein Sieg? Manchmal kommt er so schwach daher und angefochten und so unentschlossen...

 

Die Welt überwindet die Christen

Bei Heinrich Böll habe ich neulich gelesen: ‚die Christen haben nicht die Welt überwunden, sie begeben sich in die Welt hinein und werden von ihr überwunden’. Von der Welt und dem, was heute zählt: Geld und Macht und Erfolg. Wir spielen mit und haben – wie alle – die Angst, die in ihr herrscht: vor dem Scheitern und der Gewalt und der Unmenschlichkeit.

Wie oft wissen wir gar nicht mehr, was richtig ist und wie wir uns entscheiden sollen. Wie oft gehen wir Wege mit, die man heute geht, aber vielleicht besser nicht gehen sollte. Und unser Glaube? Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Und dann so verzagt?

 

Hilfe in den Grenzfällen des Lebens

Manchmal, da kann ich es freilich auch anders sehen.

Wenn ich auf dem Friedhof stehe, und getroffen bin und selbst keine Worte hätte, unsäglichem Leid und der Absurdität des Todes zu begegnen, dann bin ich froh, dass ich in Worte fassen kann, was wir glauben.

-         Dass wir an einen Gott glauben, der uns in der Angst und dem Schmerz nicht allein lässt, weil er weiß, wie sich Verzweiflung anfühlt.

-         Dass wir glauben, dass er unseren Schmerz und unsere Schuld auf sich genommen hat, damit wir Frieden hätten.

-         Dass wir glauben, dass das Leben nicht zu Ende ist, wenn wir sterben. 

-         Dass wir glauben, dass Gott uns hindurch und heraus führt aus Verzweiflung und Schmerz.

-         Dass wir glauben, dass Gott uns Kraft gibt, auch Kränkungen und Niederlagen zu überstehen.

-         Dass wir glauben, dass Gott uns Hilfe schickt, wenn wir in Not sind.

Und dass wir das auch erfahren. Manchmal, ohne dass wir es zunächst als Gottes Hilfe begreifen.

 

Unser Glaube mag manchmal angefochten sein und klein und verzagt. „Aber er hat Kräfte, die wir“ meist viel zu wenig an uns wahrnehmen: „Christus-Kräfte, Überwinderkräfte“.*  Gerade, wenn es eigentlich nichts mehr zu glauben und zu hoffen gibt, dann werden sie aktiv. Dann treten sie in Aktion, dann helfen sie uns hindurch – gegen alles Unheil der Welt.

 

Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

„Vielleicht ist uns dieses Wort gegeben, damit wir als Christen selbstbewusster werden. Damit wir beginnen, auch an unseren eigenen Glauben zu glauben. Es ist damit zu rechnen, dass er sich auf die Dauer als sehr vital erweisen wird, dass er uns widerstandskräftig macht gegen alle Kräfte, die sich in der Welt so ungebührlich aufspielen: gegen den Unglauben, gegen die Resignation, gegen jenen Pendelschlag von himmelhochjauchzend zur Tode betrübt, in den wir immer wieder hineingezerrt werden.“

 

Wir dürfen eins nämlich nicht vergessen: unser Glaube, der fängt mit der Auferstehung, dem Leben selbst an. Mit der Überwindung des Todes und allem, was uns hinabziehen will in die dunkle Sphäre des Lebens.

 

Unser Glaube ist der Widerspruch Gottes gegen das Leid und das Elend der Welt.

„Er ist unser Kostbarstes und Vitalstes. Er wird uns leiten und immer neu aufrichten, wenn wir am Boden liegen. Er wird uns auch das Selbstbewusstsein geben, das ein Christ braucht, um in dieser Welt unbeirrt seinen Weg zu gehen.“*

 

In diesem Glauben feiern wir Ostern. Und ich wünsche Ihnen, dass es für Sie wirklich Ostern werden kann. Nicht nur nach Karfreitag am Ostermorgen, sondern wieder und wieder nach den alltäglichen Passions- und Leidensgeschichten, die wir erleben oder erfahren.

 

Ich wünsche Ihnen frohe Ostern!

 

 

Barbara Vollmer-Backhaus,
Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Bad Wurzach

 

*Zitate aus: Paul Dieterich, Wegworte, ²2008, S. 287

 

 

 

Gott, ich will nicht mehr glauben an

meine Unmöglichkeit,

sondern nur noch glauben

an Deine Möglichkeit!

Nicht mehr sagen:

Ich kann doch nicht beten,

glauben, lieben,

sondern: Mit dir und durch dich

kann ich es.

Und darum will ich aufstehen

und schlafen gehen,

leben und sterben mit der Bitte:

Tu, was du versprochen hast!

Komm und hilf

meiner Schwachheit auf.

Auf dein Versprechen

will ich heute neu anfangen,

zu beten, zu glauben,

zu leben und zu hoffen.

Nach Helmut Gollwitzer

Druckversion | Sitemap
© Dr. Friedrich Reitzig, Pfr. i.R.