Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.
Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit (Joh. 1,14)

Liebe Leserinnen und Leser,

Weihnachten einmal anders, könnte man über die Worte setzen, mit denen Johannes das Weihnachtsgeschehen beschreibt. Unpathetisch und nüchtern klingen sie ohne jeglichen Anflug von Romantik. Kein Kind in der Krippe taucht da auf, auch nicht Maria und Joseph und auch keine Hirten. Es scheint, als habe sich das Ganze jenseits von Raum und Zeit zugetragen. Abstrakt und unpersönlich begegnet es einem wie aus einer anderen Welt kommend, in höheren Sphären verortet. Und genau betrachtet ist es ja auch so.

Gleichzeitig aber ist es wieder ganz anders. Denn das Wort, dieses unfassbare Gebilde, für viele nicht mehr als heiße Luft bzw. Schall und Rauch, wird konkret, leibhaft und fassbar. Es ward Fleisch, schreibt Johannes. Damit materialisiert er es, verortet es in unserer Welt und Zeit, stellt es mit uns auf eine Stufe. Was zunächst flüchtig und unbeständig zu sein scheint, erhält so für unsere Begriffe eine gewisse Dauer. Es kann unter uns eine Wohnung beziehen und wird sichtbar. Diese Eigenschaften verbinden wir nicht unmittelbar mit einem Wort. Deshalb ist das, was Johannes hier erzählt, tatsächlich etwas ganz anderes. Der Evangelist versucht das im Tiefsten und Letzten Unfassbare und Unbegreifbare in Worte zu fassen und verständlich zu machen: Gott wurde Mensch, wurde einer von uns, begab sich mit uns auf eine Stufe. Wer könnte dies wirklich verstehen?

Im Ergebnis bleibt uns angesichts dessen nur das Staunen über die Weihnachtsbotschaft, über dieses Leuchten in der Nacht, als die Engel erschienen und sangen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Diese Herrlichkeit besonderer Art ist den Hirten auf den Feldern vor Bethlehem gewiss durch Mark und Bein gegangen, hat sie im Tiefsten ihres Herzens berührt, denn was sie da sahen und hörten, war zwar eine Botschaft aus einer anderen Welt, aber eine, die sie meinte, hieß es doch zuvor: „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr.“ Damit wurde nicht weniger als ein Heiland für die Armen und Vergessenen angesagt, denn dazu gehörten die Hirten auf den Feldern von Bethlehem. Gleichzeitig steht diese Botschaft für die Umwertung aller bisherigen Werte, denn als erste erfuhren die Hirten von diesem Wunder, die Ärmsten der Armen, nicht die Großen und Mächtigen, und anstelle eines Palastes wurde ein Stall zum Offenbarungsort der Herrlichkeit Gottes. Wir sahen seine Herrlichkeit und dürfen sie immer neu sehen. Gott neigt sich zu uns herab, nimmt uns wichtig, möchte die Mühseligen und Beladenen aufrichten und unserer Welt Hoffnung und Heil bringen durch Jesus, seinen Sohn. So wohnt er immer noch unter uns gegenwärtig und doch verborgen, gewaltlos und doch von einer Macht, die die Sünde und das Böse zu bezwingen vermag. Er ist uns nahe, steht vor der Tür und wartet darauf, dass wir ihn einlassen, nicht nur an Weihnachten, sondern jeden Tag neu.

Dieses Wunder der Gemeinschaft und der Begegnung mit Jesus wünsche ich uns allen jetzt an Weihnachten und darüber hinaus an jedem neuen Tag und damit einen Blick für die Herrlichkeit, die Jesus unter uns verbreiten möchte. Er schenke uns allen frohe, gesegnete und friedvolle Weihnachtstage sowie ein neues Jahr unter Gottes Segen und Geleit.

Ihr Pfr. Friedrich Reitzig, Kurseelsorger

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