Loslassen und Kraft schöpfen
Die Ferien haben angefangen und viele sind schon weg in den Urlaub, oder sie freuen sich darauf. Urlaub heißt ja nicht nur Tapetenwechsel, andere Länder und Menschen sehen und Spaß haben. Urlaub kann gelegentlich auch eine Zeit für den Rückzug sein, eine Zeit zum Kraft schöpfen.
Das Jahr hält genug Anstrengungen für uns bereit, nicht nur denen, die erwerbstätig sind, auch den Hausfrauen und Müttern und den Pflegenden, die oft Jahrelang für einen Angehörigen sorgen.
Gerade die fahren oft gar nicht in den Urlaub. Sie trauen sich nicht, ihre Pflegbedürftigen allein zu lassen. Die Organisation ist im Vorfeld schon schwierig und die Kranken sind oft auch nur widerwillig bereit, sich in andere Hände zu begeben. Also, bleiben viele doch zuhause. Kein Urlaub, kein Tapetenwechsel, keine Erholung.
Dazu fällt mir eine Geschichte über Jesus ein, die im Markusevangelium im 1. Kapitel steht:
„Jesus half vielen Kranken in Kapernaum, die mit mancherlei Gebrechen beladen waren, und trieb viele böse Geister aus und ließ die Geister nicht reden; denn sie kannten ihn. Und am Morgen, noch vor Tage, stand er auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete dort.
Simon aber und die bei ihm waren, eilten ihm nach: Und als sie ihn fanden, sprachen sie zu ihm: Jedermann sucht dich. Und er sprach zu ihnen: Lasst uns anderswohin gehen, in die nächsten Städte, dass ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen. Und er kam und predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die bösen Geister aus.“ (Mk. 1, 34-39)
Jesus sucht also nach einem anstrengenden Tag eine Auszeit. Und wenn Jesus sich eine Auszeit nimmt, dann dürfen wir das auch. Ja, eigentlich könnte man sogar sagen, nach dem, was Jesus uns da vormacht, haben wir nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, uns zurückzuziehen, um Kraft zu schöpfen.
Deshalb also mein erster Punkt: Der Mensch darf, ja er muss sich Zeit für sich und einen Rückzug nehmen. Auch, und gerade, wenn andere auf seine Hilfe angewiesen sind. Wenn er es nicht tut, verliert er seine Kraft. Auch die Kraft, die er für andere braucht.
Das heißt zweitens: Der Mensch darf auch mal „nein“ sagen und Jesus macht es uns vor. Er sagt nein zu all denen, die sich auch noch so gerne von ihm hätten helfen lassen und geht in eine neue Stadt.
Jesus überlässt die Menschen sich selbst. Aber nicht einfach so, sondern nachdem er ihnen den Weg gewiesen hat, den sie gehen können.
Hilfe zur Selbsthilfe gibt er den Menschen und dann traut er ihnen zu, dass sie selbst klar kommen. Das hat etwas mit Loslassen zu tun und mit dem Vertrauen, dass andere ihr Leben selbst meistern können, sofern sie den Weg wissen. Und den hat Jesus ihnen gezeigt und vorgemacht.
Pflegebedürftige Menschen können sich natürlich nicht selbst helfen. Aber es gibt Pflegedienste und Kurzzeitpflegen, mit denen man einen gewissen Zeitraum überbrücken kann. Die kann man in Anspruch nehmen, aber natürlich muss man lernen, loszulassen und vertrauen, dass die zurück Bleibenden eine kurze Zeit alleine bzw. mit fremder Hilfe zurecht kommen. Nur dann kann man beruhigt gehen. Und das gilt natürlich für alle anderen Bereiche auch, für das Haus und die Arbeit, die man zurück lässt.
Deshalb: alle, die in Urlaub fahren: Lassen Sie getrost zurück, was sie sonst umtreibt; genießen Sie die Zeit, den Tapetenwechsel und den Rückzug ohne schlechtes Gewissen und schöpfen Sie mächtig Kraft für das kommenden Jahr bis zum nächsten Urlaub.
Und wenn Sie diesmal noch zuhause geblieben sind, dann könnten Sie ja für’s nächste Mal ernsthaft überlegen, ob Sie nicht doch eine Auszeit nehmen. Das erlaubt der Himmel und Jesus hat es vorgemacht.
Ich wünsche Ihnen eine schöne Sommerzeit.
Ihre Barbara Vollmer-Backhaus, Pfarrerin
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