Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.
Dr. Friedrich Reitzig, Pfr.i.R.

Uns ist ein Kind geboren

Liebe Leserinnen und Leser,

wohin als zur Weihnachtszeit passt diese Ankündigung des Propheten Jesaja (9,5) besser? Vor uns entsteht das Bild mit der Krippe, der Stall mit Ochs und Esel, den Eltern Maria und Joseph. Und hält dann der Joseph noch eine Laterne in der Hand, so wird aus der ärmlichen Behausung eine regelrechte, recht wohlig anmutende Idylle. Vergessen ist die Ablehnung, das „Hier ist kein Platz für Euch.“ „Schert Euch weg!“ Auch die Geburtsschmerzen sind nicht mehr präsent. Ruhe ist eingekehrt. Der Engelgesang scheint nachzuklingen „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallen.“ Es ist eine besondere Stimmung, die sich da mitten in der Nacht verbreitet, -ein Frieden, wie man ihn sonst nicht kennt. Bei diesem Kind, an das die Überschrift erinnert, kann man ruhig werden, sich sicher und geborgen fühlen. Ein Kind in seiner Schwachheit stark, ein Wunder-Rat, ein Friedefürst. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter.

Mit einem Mal wendet sich das Bild. Ein kleines Kind mit einer großen Last. Ist sie nicht zu schwer, nicht zu viel für den Kleinen. Ein Kind in der Krippe, an das hohe Erwartungen geknüpft sind. Vom ersten Augenblick mit einer großen Lebenshypothek beladen. Klein ist es, pflegebedürftig, schutzlos allen Anfeindungen ausgeliefert. Es muss erst noch werden, was man sich von ihm erhofft. Wie schwer er es haben wird, zeigt schon sein Geburtsort, -der Stall, die Krippe. Nein, er ist nicht auf Rosen gebettet, aber vom ersten Augenblick ein Hoffnungsträger. Die Hirten auf den Feldern vor Bethlehem erfuhren es als erste: „Euch ist heute der Heiland geboren, Christus, der Herr.“ Doch ein Herr ohne Macht, den Nachstellungen der Mächtigen ausgesetzt, wie das Beispiel des Herodes zeigt. Kaum geboren, schon auf der Flucht.

Ja, das erste Weihnachtsfest war alles andere als Idylle pur. Das Kind, von dem uns Weihnachten berichtet, wurde vom ersten Augenblick an dem rauen Wind dieser Welt ausgesetzt. Sein Platz war bei den Armen, ein Futtertrog sein Kinderbettchen, ein zugiger Stall sein erstes Zuhause. Zu den Randsiedlern der Gesellschaft zählte er, zu denen auf der Flucht und zu denen, die im Dunkeln sitzen ohne Hoffnung und Lebensperspektive. Und doch bringt er Freude und Hoffnung. Bei den Hirten wird es hell. „Das Volk, das im Finstern wandelt,“ so zeigt sich hier, „sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.“ Der Himmel stimmt darüber ein Loblied an. Es soll Frieden werden. Der erste Schritt ist getan.

Doch dieser Blick in die Vergangenheit möchte den Funken überspringen lassen zu uns. Denn es heißt ja nicht „ein Kind wurde geboren“, sondern „uns ist ein Kind geboren.“ Was damals geschah, soll auch unser Leben berühren und in unsere Zeit strahlen. Grad so wie das Lied es ausdrückt: „Tragt in die Welt nun ein Licht, /sagt ihnen: Fürchtet euch nicht! /Gott hat uns lieb, Groß und Klein, / seht auf des Lichtes Schein. - Tragt zu den Alten ein Licht, … und zu den Kranken, den Kindern,“ … den Flüchtlingen, eben zu allen, die sich nach Licht und Hoffnung sehnen, nach ein Wenig Liebe, Geborgenheit, Schutz. Wir sind gefragt, hier und heute:

Hildegard Wohlgemuth (EG S. 119) fasst dies in die Worte: „Wer nach Bethlehem fliegen will / in den Stall / und wer meint / dort ist auf jeden Fall / der Frieden billig zu kriegen / der sollte woanders hinfliegen. -- Wer nach Bethlehem reisen will / zu dem Sohn / und wer glaubt / dort ist die Endstation / mit Vollpension für die Seelen / der sollte was anderes wählen. --Wer nach Bethlehem gehen will / zu dem Kind / und wer weiß / daß dort der Weg beginnt / ein jedes Kind nur zu lieben / der könnte es heute schon üben.“ Das Übungsfeld ist groß. Schön, wenn viele mit anpacken und das Licht der Liebe hinaustragen in die Welt, in die Häuser, in die Herzen.

In diesem Sinn wünsche ich uns alle frohe, erfüllte und gesegnete Weihnachtstage.

Pfr. Friedrich Reitzig, Kurseelsorger

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